Heute habe ich wiedermal bei einer Bank etwas Geld eingezahlt. Und da hatte ich eine schauerliche Realisation bezüglich der Nützlichkeit von Bargeld zum Schutz der Privatsphäre: Ich war bislang immer ein grosser Fan von Bargeld, da es dem Staat / den Banken die Überwachung der Bürger erschwert. Aber jetzt scheint mir diese Sicherheit plötzlich grösstenteils illusorisch zu sein…
Ich kam auf die Idee, weil ich die Noten, die ich vor Jahren einmal abgehoben hatte, noch einmal genau anschaute, bevor ich sie wieder einzahlte. Und da fiel mir auf, dass die Seriennummern all dieser Noten in Folge waren. So wie in alten Gangsterfilmen :D. Würde ich mit diesen Noten also Dinge kaufen, und die neuen Besitzer zahlten die Noten dann irgendwann irgendwo wieder ein, gäbe es eine gewisse Verbindung zwischen ihnen und mir. Nicht gleich stark wie bei E-Geld natürlich, denn ich könnte immer noch argumentieren, dass ich damit nur Gemüse gekauft habe, und dass einer der Gemüsehändler dann vielleicht mit X geschäftet habe, aber doch zumindest eine indirekte Verbindung. Würden nun aber plötzlich viele, oder sogar alle diese Noten von X irgendwann irgendwo eingezahlt, am besten noch in der gleichen Reihenfolge, in der ich sie ausgezahlt kriegte, dann wäre die Wahrscheinlichkeit schon extrem hoch, dass ich und X in direktem Kontakt standen.
Nun müssen aber heute, mit moderner Datenverarbeitungssoftware, die Noten überhaupt nicht mehr geordnet sein. Nichts hindert die Banken daran, von allen Auszahlungen das Datum, den Empfänger, und alle Seriennummern abzuspeichern. Dann tun sie dasselbe von allen Einzahlungen, und voila, schon kann irgend eine Anti-Geldwäscherei-Behörde ganz einfach berechnen, wie viel Bargeld in welchem Zeitraum von jedem zu jedem geflossen ist. Klar, es gibt immer noch das Problem der Zwischenstufen, aber ab einer gewissen Menge, Regelmässigkeit, oder Gleichheit der Anordnung der Seriennummern wird die Wahrscheinlichkeit einer direkten Interaktion erdrückend. Heute könnte sowas problemlos automatisch berechnet werden, und die Software meldet der Behörde dann einfach die merk-würdigen Ergebnisse.
Und es kommt noch schlimmer: Früher hat Bargeld im Alltag viele Male die Hand gewechselt, bevor es vielleicht irgendwann einmal wieder in einer Bank oder beim Staat landete. Hierdurch wurde die Nachverfolgbarkeit drastisch reduziert. Heute aber, wo fast alle Transaktionen elektronisch stattfinden, wechselt es kaum noch die Hand. Meistens nur genau ein einziges Mal, wie z.B. wenn ich Geld abhebe, dann damit im Migros einkaufen gehe, und das Migros dann ihren Ertrag wieder bei einer Bank einzahlt. Und auch X hat das Problem, dass 90% der Dinge, die er vielleicht kaufen möchte, elektronisch bezahlt werden müssen. Also ist auch für ihn die Versuchung gross, neu erhaltenes Bargeld bald wieder in eine Bank einzuzahlen, was mein Risiko der Nachverfolgung erhöht. Da dies auch für alle potentiellen Zwischenstufen gilt, wird zusätzlich auch noch meine Ausrede mit dem Gemüsehändler immer unplausibler.
Einen wirklichen Nutzen für die Privatsphäre der Bürger hätte Bargeld also nur dann, wenn die meisten Menschen die meisten ihrer Transaktionen in Bargeld tätigten, und ihr Erspartes auch nicht als E-Geld auf einem Konto, sondern als Bargeld in einem Schliessfach oder in einer alten Matratze läge. Ein Zustand, von dem wir als Gesellschaft nahezu so weit entfernt sind, wie es überhaupt nur möglich ist.
Man kann es den Menschen 1000x sagen und sie finden Kartenzahlungen immer noch besser als Bargeld. Dass der Händler (z. B. Gemüsehändler) bei jeder Kartentransaktion eine Kommission bezahlt und letztlich darum die Produkte bei ihm (und in der Folge überall) teurer werden, interessiert niemanden. Wehe aber der Kaffee schlägt um 10 Rappen auf =)
Tatsächlich könnte man anhand der Seriennummer und mittels Wahrscheinlichkeitsrechnung ein Profil erstellen. Zwischen absoluter Anonymität und absoluter Gläsernheit liegt ein breites Spektrum. Wenn man auf Anonymität aus ist, ist es sicher gut, es Überwachungsversuchen möglichst schwer zu machen. Da ist mit Bargeld immer noch besser als Karten.
Wechselt nämlich die Note mehrmals den Besitzer, weiss man in der Transaktionskette nur den Anfangspunkt und den Punkt, an dem das Geld wieder zur Bank geht: n(bekannt) – n(unbekannt) – … – n(unbekannt) – n(bekannt). Niemand weiss, wie viele Nodes (n, Punkte) dazwischen liegen. Die Banken müssten dabei ausserdem einen Datenaustausch über die Seriennummern pflegen, was aktuell wahrscheinlich nicht der Fall ist.
Hoffentlich wecken wir mit dieser Diskussion keine schlafenden Hunde. Aber selbst dann: als eine kleine Massnahme dagegen könnte man Tauschkreise für Geldscheine organisieren.
Danke, für diesen Beitrag. Durch die Digitalisierung wird solch ein Szenario ermöglicht. Die Anonymität von den Menschen geht immer mehr verloren.